Borderline-Persönlichkeitsstörung

  1.  Borderline-Persönlichkeitsstörung
  2. Diagnose und Therapie
  3. Entstehung nach M. Linehan und M. Bohus
  4. Entstehung nach Daniel N. Stern
  5. Bedeutung der frühen Mutter-Kind-Beziehung
  6. Borderline-Eltern
  7. Neurobiologische Erklärung
  8. Literatur

3. Entstehung nach M. Linehan und M. Bohus   

Marsha M. Linehan ist eine amerikanische Professorin für Psychologie und litt selber jahrelang an Borderline. Sie entwickelte die Dialektisch-Behaviorale Therapie. Bei dieser Therapie werden verhaltenstherapeutische, kognitive (auf Denkmuster bezogene) und dialektische Strategien miteinander verbunden, so dass gestörte Verhaltensmuster, wie z.B. Defizite verringert oder Überreaktionen angepasst werden und neue, effektivere Verhaltensweisen eingeübt werden.

Professor Martin Bohus hat jahrelang bezüglich der Borderline-Störung geforscht und diverse Projekte hierzu geleitet.

Das Diathese-Stress-Modell (Vulnerabilitäts-Stress-Modell) ist ein Störungsmodell der klinischen Psychologie, welches nicht auf eine bestimmte Schule festgelegt ist und biologische, psychologische und Umweltfaktoren verbindet. Unter Diathese versteht man eigentlich die Neigung für eine bestimmte Krankheit; hier wird der Begriff Diathese als Tendenz eines Menschen verstanden, auf eine bestimmte Weise auf Belastungen zu reagieren.

Das Diathese-Stress-Modell nach M. Linehan postuliert eine Störung der Emotionsregulation als das zentrale Problem der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Es wird angenommen, dass die Schwierigkeiten im Umgang mit Gefühlen durch eine Veranlagung und Umweltbedingungen sowie deren Wechselwirkung während der (kindlichen) Entwicklung entsteht. Dieser Theorie nach haben Menschen mit einer Borderline-Störung Schwierigkeiten mit der Steuerung verschiedener, wenn nicht aller Gefühle. Aufgrund hoher Verletzbarkeit und ungünstiger Strategien entstehen vor allem Schwierigkeiten im Umgang mit Gefühlen. Die Betroffenen haben den Umgang mit ihren Gefühlen nicht richtig lernen können, weil dies ihnen in einem gleichfalls ungenügenden Umfeld nicht ausreichend vermittelt werden konnte.

Linehan verwendet für diesen Mangel an Einfühlsamkeit und Sensibilität, den Begriff "invalidieren". "Invalidieren" bedeutet eigentlich "ungültig machen" und in diesem Zusammenhang am ehesten, die Gefühle des Betroffenen nicht ausreichend zu würdigen, nicht ernst zu nehmen, zu missachten oder zu verdrehen. Eine invalidierende Umgebung trägt zur emotionalen Dysregulation bei, indem sie versäumt, dem Kind beizubringen, wie es Erregung benennen und regulieren und emotionale Spannungen aushalten kann. Weiterhin hat das Kind so nicht die Möglichkeit, zu lernen, sich auf seine eigenen Gefühle zu verlassen und darauf zu vertrauen, dass diese Gefühle angemessen und passend sind. In der invalidierenden Umgebung muss das Kind ständig nach Hinweisen suchen, wie es zu handeln, und zu fühlen hat, und lernt so schließlich seine eigenen Erfahrungen selbst zu invalidieren. Es entfernt sich damit aber immer mehr von seiner eigenständigen Wahrnehmung seiner Gefühle und überlässt es immer mehr anderen, seine Gefühle und Wahrnehmung zu benennen.In schlimmen Fällen wie bei sexuellem Missbrauch kann es zur völligen Missachtung der eigenen Bedürfnisse und Gefühle durch den Betroffenen kommen.

Das Diathese-Stress-Modell der Dialektisch-Behavioralen Therapie nimmt an, dass die Borderline Persönlichkeits-Störung durch ein Zusammenwirken früher Traumatisierung, Vernachlässigung und einer neurobiologischen Disposition entsteht. Tatsächlich lassen sich bei Patienten mit der Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung in über 70% der Fälle frühe Erfahrungen von Missbrauch und/oder Vernachlässigung und Hinweise auf eine Häufung neurologischer Erkrankungen und eventueller Schädigungen vor und nach der Geburt sowie im Kindes- und Jugendalter finden (Bohus et al., 2000b). Durch das Zusammenwirken eben beschriebener Faktoren kommt es nach Ansicht von Linehan zu einer Störung der Affektregulation dahingehend, dass ein hypersensitives Nervensystem schon bei geringfügigen emotionalen Stimuli mit einem starken Erregungsanstieg reagiert. Gefühle werden oft nicht differenziert wahrgenommen, sondern diffus erlebt. Die psychophysiologische Spannung baut sich nur sehr langsam ab, kann im Extremfall über Stunden anhalten, was von den Betroffenen wiederum als äußerst unangenehm erlebt wird. Um diese Spannung zu reduzieren, greifen die Betroffenen als dysfunktionale Bewältigungsstrategie zu selbstverletzendem Verhalten, Suizidversuchen oder Dissoziationen. Das dysfunktionale Verhalten wird damit negativ verstärkt. Es gibt eine kleine Gruppe von Patienten, die ihre Selbstverletzungen als "Kick" erlebt, wodurch ihr dysfunktionales Verhalten positiv verstärkt wird (Bohus et al., 2000).

Literatur:

  • Bohus, M.: Borderline-Störung. Göttingen, Hogrefe 2002

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